Ist es Liebe?

Ist es Liebe?

14. Juni 2017 Aus Von Viviane

Auf die Idee diesen Beitrag zu schreiben, kam ich eigentlich mehr oder weniger durch die Frage von Hannah „Was könnte der nächste Blogbeitrag werden?“. Ich habe mir schon länger die Frage gestellt, ob ich nicht einen Beitrag darüber schreiben soll – was ich an meinen Pferden liebe, beziehungsweise was macht sie zu diesen besonderen Wegbegleitern für mich ?

 

Conrado und Lola sind so ziemlich das komplette Gegenteil voneinander. Ja gut, beide Pferde sind schwarz, haben Abzeichen im Gesicht und sind total verfressen. Aber trotzdem sind beide von Grund auf verschieden. 

Lola ist eine aufgeweckte neugierige Stute mit einer großen Portion Selbstbewusstsein, was bei Conrado eher in die Richtung „die Welt ist voller Monster und hinter jeder Ecke könnte etwas böses Lauern“ -Typ. Sie ist offen für Neues, merkt das es nichts Gefährliches ist und erledigt ihren „Job“ als ob sie noch nie etwas anderes gemacht hätte. Er dagegen sieht neuen Dingen mit einer großen Skepsis entgegen und muss zunächst prüfen, denken, prüfen und dann entscheiden, ob es für ihn einen Grund gibt zu flüchten. (Meistens tut er das aber schon vorher, bis ich ihn dann ganz behutsam an das „Monster“ heranführe.)

Conrado braucht Ruhe, Geduld und ganz viel Bestätigung indem was er tut. Meistens klingt das dann bei mir dann so: „Mutiger Junge- fein machst du das. Alles ist gut!“ Während Lola sich den Dingen so annimmt, wie sie kommen. Essbar oder nicht – erst einmal testen, ob es schmeckt. Also eher so der „Sturm und Drang“ -Typ. 

Im Umgang sind beide Pferde wahre Schätze. Da liegt der einzige Unterschied in der Erziehung. Mein Papa legt sehr viel wert auf stillstehende Pferde während des Sattelns oder des allgemeinen versorgens außerhalb der Box. Ich will nicht sagen, dass ich keine strenge und konsequente Mutti bin, aber manchmal, da muss man Fünfe gerade sein lassen. Es ist doch schließlich zu süß, wenn der Vogel versucht sich mit seinen Hufeisen an die Leckerlietüte heranzuschleichen, obwohl ich jeden Schritt mitbekomme. Diesen unschuldigen Blick, wenn ich ihn dabei erwische, kann niemand widerstehen. Eine bestimmte Konsequenz in der Pferdeerziehung finde ich dennoch wichtig. Gerade bei so frechen Pferden, wie ich sie habe. Die denken sich nämlich ständig neuen Blödsinn aus, um uns auf Trab zu halten.

Grundlegende Unterschiede stelle ich auch jedes Mal auf Turnieren fest. Sobald meine kleine Diva das Viereck betreten hatte, war sie da. Sie wusste genau, wann wir auf dem Abreiteplatz waren und wann im Viereck. Das war nämlich ihre Show – „The Stage is yours“ – zumindest kam ich mir manchmal so vor. Sie hat immer 110 % gegeben und hat jede Sekunde für mich gekämpft. 

„Ich gehe dann schon mal vor“ oder „Im Hänger ist es doch viel gemütlicher“, sind Conrados Gedanken. Ein Nervenbündel des Jahrtausends und hinzukommt, dass er sich vor allem gruselt, was nur in der Nähe des Vierecks steht. Richtertische und Lautsprecher sind für ihn der Horror. Damit steht er jedes Mal auf Kriegsfuß. Er versucht sein Bestes zu geben und versucht sich durchzukämpfen, aber an manchen Turniertagen kam es schon des Öfteren vor, dass wir schneller aus dem Viereck draußen waren als geplant. Aber mit der Zeit wird er lernen, dass es nichts gibt, wovor er Angst haben muss. Es war auch zwischendurch wirklich super mit ihm und er hat seine beste Seite gezeigt. Nur eben nicht immer, wenn ihm die Nerven durchgehen. 2016 war unsere erste Turniersaison und wir vertrauten aneinander noch nicht so, wie wir es heute tun. Ich denke, es kann alles nur besser werden.

 

Wie ihr vielleicht gerade schon merkt, beide Pferde sind vollkommen unterschiedliche Charaktere. Aber dennoch ganz tief in ihrem Herzen genau gleich. Sie wollen für mich immer alles richtig machen. Der eine braucht für manche Dinge länger, während man das andere in bestimmten Situationen bremsen muss. Sie wollen beide meine Nummer eins sein – was sie auch definitiv beide sind. In diesem Fall teilen sich beide Pferde den ersten Platz in meinem Herzen. Sie sind für mich in ihrem Wesen mit ihren eigenen Geschichten so besonders, dass genau dieser Punkt für mich die Antwort auf die Frage: „Ist es Liebe?“ ist. Liebe ist etwas Besonderes und muss nicht erkämpft werden. Man verspürt sie oder nicht. Die Chemie muss passen, auch wenn manchmal etwas aufkocht und die Situation zu explodieren scheint. Ich würde mich niemals wagen zu hinterfragen, ob ich meine Pferde liebe. Denn was das zwischen uns auch immer ist – egal, an welchen Tagen. Diese Verbindung die wir zueinander haben, lässt sich nicht nur mit dem Wort Liebe verbinden.

Es ist Freundschaft. Es ist eine Beziehung. Sie sind meine Familie. Meine Pferde lassen mich sein, wie ich bin. Sie machen mich zu dem, was ich bin. Sie haben mir gelehrt, was es bedeutet zu kämpfen, egal wie schwer es wird. Sie sind das, was ich heute bin: Ein Mädchen, das weiß wie es ist zu fallen und wieder aufzustehen und weiter zu machen, bis ich da angekommen bin, wo ich sein will. Sie geben mir den Halt, den ich brauche um in dieser Welt zu überleben. Warum? Weil sie nicht urteilen. Sie verletzen mich nicht. Sie nehmen mich, so wie ich bin.

Jemanden so zu nehmen, wie er ist, das ist für mich Liebe. So unterschiedlich, wie meine Pferde auch sind, ich nehme sie so wie sie sind.

 

Für mich sind sie unperfekt perfekt.

Hannah’s Instagrampage: https://www.instagram.com/miss.skyfire/